Angriff auf Armenien: Fünf Fragen an Deutschland

1. Warum schweigt die Außenministerin?

Über Russlands Angriff auf die Ukraine lässt sich Annalena Baerbock heute vor ihrer Abreise zur UN-Generalversammlung einmal mehr in größtmöglicher Deutlichkeit zitieren.

„Wir stehen fest an der Seite der Ukraine und wir werden sie weiter unterstützen – mit allem was sie braucht – damit der Krieg und das unermessliche Leid der Menschen in der Ukraine ein Ende finden. In New York wird es insbesondere auch darum gehen, wie die grauenvollen Verbrechen, die im Namen Russlands in der Ukraine begangen werden, aufgearbeitet und verfolgt werden können.“ – Annalena Baerbock

Im Falle von Aserbaidschans Angriff auf Armenien hat sich die Bundesaußenministerin seit nunmehr einer Woche noch mit keinem einzigen Wort geäußert. Dabei ließe sich das vorstehende Statement angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffs Aserbaidschans auf armenisches Kernland sowie der dabei verübten Gräueltaten ohne Weiteres auch auf diese beiden Länder anwenden. Wo ist die „wertegeleitete“ und „feministische“ Außenpolitik der Grünen-Politikerin, wenn in diesen Tagen weit über 100 Armenier massakriert und Frauen zerstückelt werden?

2. Warum unterstützt Deutschland zwei Diktaturen gegen zwei Demokratien?

Die Präsidenten Aliyev und Erdogan gefallen sich in der Verherrlichung des türkischen Genozids von 1915 an 1,5 Millionen Armeniern: Auf ihrer gemeinsamen „Siegesfeier“ nach dem Angriff auf Bergkarabach im Jahr 2020 ließ Erdogan einen der Haupttäter hochleben und bezeichnete die armenischen Christen als „Ungläubige“. Aliyev nennt sie regelmäßig „Hunde“ – bei Genozidforschern schrillen da alle Alarmglocken. Nicht so bei der EU Kommissionspräsidentin, welche für den Gaseinkauf in Aserbaidschan lieber ganz auf kritische Anmerkungen zur Menschenrechtslage verzichtet. Auch Deutschland fällt derzeit mehr mit fragwürdigen Militärpartnerschaften sowie Äquidistanz denn mit Kritik oder gar Sanktionen auf. Ein fatales Signal, das auf eine de facto Unterstützung der Angreifer hinausläuft.

Dabei schneidet Aserbaidschan in Bezug auf Pressefreiheit und bürgerliche Freiheiten noch weit schlechter als Russland ab, während in der Türkei von Rechtsstaatlichkeit oder Meinungsfreiheit auch keine Rede mehr sein kann. Armenien hat sich dagegen in einer „Samtenen Revolution“ bereits im Jahr 2018 – ähnlich der Ukraine – demokratisch entwickelt, was am Wochenende US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi bei ihrem Besuch hervorhob. Auch das international nicht anerkannte Arzach wird demokratisch verwaltet.

3. Warum berichten viele Medien falsch oder gar nicht?

Die Berichterstattung in deutschen Medien ist angesichts der offen ausgesprochenen, genozidalen Vernichtungsabsichten der Türkei und Aserbaidschans gegen den ältesten christlichten Staat der Welt geradezu grotesk fehlerhaft und unzureichend: Ausgerechnet das Völkerrecht wird oftmals bemüht, demzufolge Bergkarabach zu Aserbaidschan gehöre. Einmal ganz abgesehen davon, dass dies schlichtweg unzutreffend ist – Aliyev zählt darüber hinaus öffentlich sogar die armenische Hauptstadt Jerewan zu seinem Staatsgebiet. Mehr Klarheit geht nicht: Armenien soll vernichtet werden.

Auch die Art und Weise der Kriegsführung gegen einen militärisch deutlich unterlegenen Gegner – etwa beim Angriff auf Bergkarabach vor zwei Jahren – ist durchweg menschenverachtend und illegal.

„Menschenrechtsorganisationen berichten von Streubomben gegen die Zivilbevölkerung, von gezielten Angriffen auf Krankenhäuser und Kirchen, weil sie christliche Kreuze trugen. Kriegsgefangene Armenier sollen gefoltert und dabei gefilmt worden sein. Bei der OSZE und der UNO werden derzeit Berichte von Enthauptungen von Soldaten und Verstümmelung von Leichen geprüft.“ – Wolfram Reimer 2020 in n-tv

4. Warum gibt es in Deutschland keine Denkmäler für den Völkermord?

Die strategischen Interessen der EU Kommission sowie der Bundesregierung am vermeintlichen NATO-Partner Türkei und am Gas-Lieferanten Aserbaidschan sind so klar wie kurzsichtig. Doch warum bleibt die Zivilgesellschaft merkwürdig still? Nun, sie weiß es einfach oft nicht besser.

Der Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern durch die Bewegung der „Jungtürken“ wurde 1915 mit logistischer und militärischer Unterstützung des Deutschen Kaiserreichs ermöglicht. Nicht zuletzt aus diesem Grund versucht eine Initiative bereits seit Jahren, in Köln ein Mahnmal für den Genozid aufzustellen. Die Stadt baut es regelmäßig wieder ab. In Sichtweite darf derweil Kaiser Wilhelm II. auf dem Sockel bleiben.

An der Hardenbergstraße in Berlin erinnert heute ebenfalls nichts daran, dass hier einst ein türkischer Völkermörder im deutschen Exil erschossen wurde.

5. Warum fehlt der Genozid im Geschichtsunterricht?

Soldaten des Deutschen Kaiserreichs halfen den Türken vielfach bei der Ermordung der christlichen Zivilbevölkerung. Rund 20 Jahre später nahm Hitler unmittelbar vor dem Überfall auf Polen gegenüber Generälen der Wehrmacht ausdrücklich Bezug auf den Völkermord an den Armeniern. In einer Geheimrede erklärte er ihn zum Vorbild für den eigenen Vernichtungskrieg.

„So habe ich, einstweilen nur im Osten, meine Totenkopfverbände bereitgestellt mit dem Befehl, unbarmherzig und mitleidslos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken. Nur so gewinnen wir den Lebensraum, den wir brauchen. Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?“ – Adolf Hitler am 22.08.1939

Es gäbe also mehr als genug Gründe, das Thema in den Geschichtsunterricht aufzunehmen. Doch verbindliche Leitlinien dafür fehlen – aufgrund politischer Einflussnahme der Türkei und offenbar auch aus Sorge um die Reaktionen türkischer Schüler und ihrer Eltern. In der Türkei sind derweil Straßen und Schulen nach den Tätern benannt.

Die Leugnung des Völkermords an den Armeniern ist im Unterschied zum Holocaust in Deutschland möglich. Frankreich, Griechenland, Zypern und die Slowakei haben dagegen auch die Leugnung dieses Genozids unter Strafe gestellt.

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Angriff auf Armenien: Fünf Fragen an Deutschland

1. Warum schweigt die Außenministerin?

Über Russlands Angriff auf die Ukraine lässt sich Annalena Baerbock heute vor ihrer Abreise zur UN-Generalversammlung einmal mehr in größtmöglicher Deutlichkeit zitieren.

„Wir stehen fest an der Seite der Ukraine und wir werden sie weiter unterstützen – mit allem was sie braucht – damit der Krieg und das unermessliche Leid der Menschen in der Ukraine ein Ende finden. In New York wird es insbesondere auch darum gehen, wie die grauenvollen Verbrechen, die im Namen Russlands in der Ukraine begangen werden, aufgearbeitet und verfolgt werden können.“ – Annalena Baerbock

Im Falle von Aserbaidschans Angriff auf Armenien hat sich die Bundesaußenministerin seit nunmehr einer Woche noch mit keinem einzigen Wort geäußert. Dabei ließe sich das vorstehende Statement angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffs Aserbaidschans auf armenisches Kernland sowie der dabei verübten Gräueltaten ohne Weiteres auch auf diese beiden Länder anwenden. Wo ist die „wertegeleitete“ und „feministische“ Außenpolitik der Grünen-Politikerin, wenn in diesen Tagen weit über 100 Armenier massakriert und Frauen zerstückelt werden?

2. Warum unterstützt Deutschland zwei Diktaturen gegen zwei Demokratien?

Die Präsidenten Aliyev und Erdogan gefallen sich in der Verherrlichung des türkischen Genozids von 1915 an 1,5 Millionen Armeniern: Auf ihrer gemeinsamen „Siegesfeier“ nach dem Angriff auf Bergkarabach im Jahr 2020 ließ Erdogan einen der Haupttäter hochleben und bezeichnete die armenischen Christen als „Ungläubige“. Aliyev nennt sie regelmäßig „Hunde“ – bei Genozidforschern schrillen da alle Alarmglocken. Nicht so bei der EU Kommissionspräsidentin, welche für den Gaseinkauf in Aserbaidschan lieber ganz auf kritische Anmerkungen zur Menschenrechtslage verzichtet. Auch Deutschland fällt derzeit mehr mit fragwürdigen Militärpartnerschaften sowie Äquidistanz denn mit Kritik oder gar Sanktionen auf. Ein fatales Signal, das auf eine de facto Unterstützung der Angreifer hinausläuft.

Dabei schneidet Aserbaidschan in Bezug auf Pressefreiheit und bürgerliche Freiheiten noch weit schlechter als Russland ab, während in der Türkei von Rechtsstaatlichkeit oder Meinungsfreiheit auch keine Rede mehr sein kann. Armenien hat sich dagegen in einer „Samtenen Revolution“ bereits im Jahr 2018 – ähnlich der Ukraine – demokratisch entwickelt, was am Wochenende US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi bei ihrem Besuch hervorhob. Auch das international nicht anerkannte Arzach wird demokratisch verwaltet.

3. Warum berichten viele Medien falsch oder gar nicht?

Die Berichterstattung in deutschen Medien ist angesichts der offen ausgesprochenen, genozidalen Vernichtungsabsichten der Türkei und Aserbaidschans gegen den ältesten christlichten Staat der Welt geradezu grotesk fehlerhaft und unzureichend: Ausgerechnet das Völkerrecht wird oftmals bemüht, demzufolge Bergkarabach zu Aserbaidschan gehöre. Einmal ganz abgesehen davon, dass dies schlichtweg unzutreffend ist – Aliyev zählt darüber hinaus öffentlich sogar die armenische Hauptstadt Jerewan zu seinem Staatsgebiet. Mehr Klarheit geht nicht: Armenien soll vernichtet werden.

Auch die Art und Weise der Kriegsführung gegen einen militärisch deutlich unterlegenen Gegner – etwa beim Angriff auf Bergkarabach vor zwei Jahren – ist durchweg menschenverachtend und illegal.

„Menschenrechtsorganisationen berichten von Streubomben gegen die Zivilbevölkerung, von gezielten Angriffen auf Krankenhäuser und Kirchen, weil sie christliche Kreuze trugen. Kriegsgefangene Armenier sollen gefoltert und dabei gefilmt worden sein. Bei der OSZE und der UNO werden derzeit Berichte von Enthauptungen von Soldaten und Verstümmelung von Leichen geprüft.“ – Wolfram Reimer 2020 in n-tv

4. Warum gibt es in Deutschland keine Denkmäler für den Völkermord?

Die strategischen Interessen der EU Kommission sowie der Bundesregierung am vermeintlichen NATO-Partner Türkei und am Gas-Lieferanten Aserbaidschan sind so klar wie kurzsichtig. Doch warum bleibt die Zivilgesellschaft merkwürdig still? Nun, sie weiß es einfach oft nicht besser.

Der Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern durch die Bewegung der „Jungtürken“ wurde 1915 mit logistischer und militärischer Unterstützung des Deutschen Kaiserreichs ermöglicht. Nicht zuletzt aus diesem Grund versucht eine Initiative bereits seit Jahren, in Köln ein Mahnmal für den Genozid aufzustellen. Die Stadt baut es regelmäßig wieder ab. In Sichtweite darf derweil Kaiser Wilhelm II. auf dem Sockel bleiben.

An der Hardenbergstraße in Berlin erinnert heute ebenfalls nichts daran, dass hier einst ein türkischer Völkermörder im deutschen Exil erschossen wurde.

5. Warum fehlt der Genozid im Geschichtsunterricht?

Soldaten des Deutschen Kaiserreichs halfen den Türken vielfach bei der Ermordung der christlichen Zivilbevölkerung. Rund 20 Jahre später nahm Hitler unmittelbar vor dem Überfall auf Polen gegenüber Generälen der Wehrmacht ausdrücklich Bezug auf den Völkermord an den Armeniern. In einer Geheimrede erklärte er ihn zum Vorbild für den eigenen Vernichtungskrieg.

„So habe ich, einstweilen nur im Osten, meine Totenkopfverbände bereitgestellt mit dem Befehl, unbarmherzig und mitleidslos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken. Nur so gewinnen wir den Lebensraum, den wir brauchen. Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?“ – Adolf Hitler am 22.08.1939

Es gäbe also mehr als genug Gründe, das Thema in den Geschichtsunterricht aufzunehmen. Doch verbindliche Leitlinien dafür fehlen – aufgrund politischer Einflussnahme der Türkei und offenbar auch aus Sorge um die Reaktionen türkischer Schüler und ihrer Eltern. In der Türkei sind derweil Straßen und Schulen nach den Tätern benannt.

Die Leugnung des Völkermords an den Armeniern ist im Unterschied zum Holocaust in Deutschland möglich. Frankreich, Griechenland, Zypern und die Slowakei haben dagegen auch die Leugnung dieses Genozids unter Strafe gestellt.

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