Prof. em. Dr. Fanny-Michaela Reisin: Anordnung zum Abriss des Mahnmals zum Gedenken des Völkermords an den Armeniern im historischen Zentrum der Stadt Köln
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,
mein Name ist Fanny-Michaela Reisin. Ich bin eine der Unterstützerinnen der Errichtung des o. g. Mahnmals vor der Hohenzollernbrücke in Köln (s. Anhang) und wende mich in dieser Sache vertrauensvoll an Sie.
Mich erreichte mit gestrigem Datum die Mitteilung, dass das wichtige, gleichsam sehr bescheiden gestaltete Mahnmal in Gedenken an den Tod von über einer Million Armenier und Armenierinnen an dem ihm zugedachten Standort abgerissen werden soll. Auf Nachfrage erfuhr ich, seitens Ihres Hauses werde, mit Bezug auf den Standort, die „räumliche Einschränkung des Gemeinwohls“ geltend gemacht.
Nun wurde der Standort von den Initiatoren und Initiatorinnen des Mahnmals mit Bedacht im historischen Zentrum der Stadt Köln gewählt. Unweit des Reiterdenkmals für Kaiser Wilhelm II. auf dem Kurt-Rossa-Platz sollte eben diese Referenz mit einem leisen Hinweis ergänzt werden, der daran erinnert, dass just in der Zeit des Genozids zwischen 1915 und 1918 immerhin 800 der vom Kaiser befohlenen Führungsoffiziere zwischen in die Türkei entsandt und zur Unterstützung der Osmanische Armee in diese eingegliedert worden waren.
Die damit auch auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangene und mithin uns allen, als Bürger und Bürgerinnen, aufgegebene „historische Verantwortung Deutschlands“ für das Genozid an Armeniern, Aramäern und Pontos-Griechen, wurde daher mit gutem Grund vom Bundestag, in seiner einhellig beschlossenen Resolution am 1. Juni 2016 ausdrücklich festgehalten.
Vor dem hier – mehr oder weniger zur neuerlichen Selbstvergewisserung sehr grob – skizzierten historischen Hintergrund fand ich es seinerzeit tröstlich und für das gedeihlich Zusammenleben unserer, in vielerlei Hinsicht so vielfältigen Zivilgesellschaft, auch ermutigend, dass die Träger und Trägerinnen der Initiative „transnationale Erinnerungsräume“ die Inschrift des Mahnmals „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ der Erinnerungsarbeit der türkischen Zivilgesellschaft entnommen haben.
Eine Entscheidung, die dem respektvollen Miteinander unterschiedlicher Ethnien und Nationalitäten insbesondere auch hierzulande zuträglich ist und jedweder Mutmaßung, das Mahnmal sei gegen den türkischen Staat gerichtet, entgegenwirkt.
Eine Geste, wohl ganz im Sinne des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck, wie mir scheint. Dieser wusste vor einigen Jahren im Anschluss an einen ökumenischen Gedenkgottesdiensts in Erinnerung an den Völkermord, dem ich in Berlin beiwohnte, zu erklären:
„Indem wir erinnern, setzen wir niemanden, der heute lebt, auf die Anklagebank. Die Täter von einst leben nicht mehr und ihren Kindern und Kindeskindern ist jene Schuld nicht anzulasten. Was die Nachfahren der Opfer aber zu recht erwarten dürfen, das ist die Anerkennung historischer Tatsachen und damit auch einer historischen Schuld.“
Dies alles bedenkend, vermag ich einfach nicht zu glauben, dass die vorgeblich geltend gemachte „räumliche Einschränkung des Gemeinwohls“ der ausschlaggebende Grund für den angeordneten Abriss des doch wichtigen, gleichwohl wahrlich nicht großflächig monumental gestalteten Mahnmals sein kann.
Ich bitte Sie daher vertrauensvoll, mich in der Sache aufzuklären, bevor ich mich an befreundete Nicht-Regierungs-Organisationen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im In- und Ausland wende. Es wäre fatal in einer moralisch so schwerwiegenden Angelegenheit, vor allem aber auch, eingedenk des nach wie vor mit ihr verbundenen Leids und Schmerzes der Nachkommen, falsche Signale auszusenden.
Ich hoffe daher sehr, von Ihrem Haus aufgeklärt und beruhigt zu werden. Denn es geht, wie schon angedeutet, um das Zusammenleben hierzulande und um unsere aller Verantwortung dafür.
Als ehemalige Präsidentin der „Internationalen Liga für Menschenrechte e. V.“, habe ich über viele Jahre aktiv die Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Roma und Sinti Europas unterstützt. Die Errichtung des Mahnmals in Sichtweite des Deutschen Reichstags war uns wichtig, denn vom politischen Zentrum des faschistischen Deutschen Reichs, ging die Weisung aus, „die Juden und Zigeuner schlechthin“ zu vernichten. Im Jahre 2002 gründete ich gemeinsam mit Delegierten von 18 jüdischen Gruppen und Organisationen die Föderation „European Jews for a Just Peace“ (EJJP) und hiernach die deutschen Sektion „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost – EJJP e. V.“ Allen Mitgliedsorganisationen des EJJP, so auch unserer hierzulande, gehörten noch Überlebende des Völkermords des NS-Regimes an den Juden an, die ihr Engagement an der Seite ausgegrenzter und vertriebener Palästinenser_innen sowie widerständiger Israelis als Lehre aus dem selbst erfahrenen Pariastatus begriffen. Vor diesem Hintergrund halte ich die Vision „transnationaler Erinnerungsräume“, wie sie im Zusammenhang mit der Initiative zur Errichtung eines Mahnmals zur Erinnerung an den Völkermord an den Armenier_innen in Köln von Dogan Akhanli und anderen vertreten wird, nicht zuletzt wegen ihrer Universalität für überzeugend. Insbesondere teile ich die Auffassung, dass die Mittäterschaft Kaiser Wilhelms II ausdrücklich benannt werden sollte, weshalb mir der Platz unweit des Reiterbildes des Kaisers vor der Kölner Hohenzollernbücke für die Aufstellung des Mahnmals sehr geeignet erscheint.
Prof. em. Dr. Fanny-Michaela Reisin: Anordnung zum Abriss des Mahnmals zum Gedenken des Völkermords an den Armeniern im historischen Zentrum der Stadt Köln
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,
mein Name ist Fanny-Michaela Reisin. Ich bin eine der Unterstützerinnen der Errichtung des o. g. Mahnmals vor der Hohenzollernbrücke in Köln (s. Anhang) und wende mich in dieser Sache vertrauensvoll an Sie.
Mich erreichte mit gestrigem Datum die Mitteilung, dass das wichtige, gleichsam sehr bescheiden gestaltete Mahnmal in Gedenken an den Tod von über einer Million Armenier und Armenierinnen an dem ihm zugedachten Standort abgerissen werden soll. Auf Nachfrage erfuhr ich, seitens Ihres Hauses werde, mit Bezug auf den Standort, die „räumliche Einschränkung des Gemeinwohls“ geltend gemacht.
Nun wurde der Standort von den Initiatoren und Initiatorinnen des Mahnmals mit Bedacht im historischen Zentrum der Stadt Köln gewählt. Unweit des Reiterdenkmals für Kaiser Wilhelm II. auf dem Kurt-Rossa-Platz sollte eben diese Referenz mit einem leisen Hinweis ergänzt werden, der daran erinnert, dass just in der Zeit des Genozids zwischen 1915 und 1918 immerhin 800 der vom Kaiser befohlenen Führungsoffiziere zwischen in die Türkei entsandt und zur Unterstützung der Osmanische Armee in diese eingegliedert worden waren.
Die damit auch auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangene und mithin uns allen, als Bürger und Bürgerinnen, aufgegebene „historische Verantwortung Deutschlands“ für das Genozid an Armeniern, Aramäern und Pontos-Griechen, wurde daher mit gutem Grund vom Bundestag, in seiner einhellig beschlossenen Resolution am 1. Juni 2016 ausdrücklich festgehalten.
Vor dem hier – mehr oder weniger zur neuerlichen Selbstvergewisserung sehr grob – skizzierten historischen Hintergrund fand ich es seinerzeit tröstlich und für das gedeihlich Zusammenleben unserer, in vielerlei Hinsicht so vielfältigen Zivilgesellschaft, auch ermutigend, dass die Träger und Trägerinnen der Initiative „transnationale Erinnerungsräume“ die Inschrift des Mahnmals „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ der Erinnerungsarbeit der türkischen Zivilgesellschaft entnommen haben.
Eine Entscheidung, die dem respektvollen Miteinander unterschiedlicher Ethnien und Nationalitäten insbesondere auch hierzulande zuträglich ist und jedweder Mutmaßung, das Mahnmal sei gegen den türkischen Staat gerichtet, entgegenwirkt.
Eine Geste, wohl ganz im Sinne des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck, wie mir scheint. Dieser wusste vor einigen Jahren im Anschluss an einen ökumenischen Gedenkgottesdiensts in Erinnerung an den Völkermord, dem ich in Berlin beiwohnte, zu erklären:
„Indem wir erinnern, setzen wir niemanden, der heute lebt, auf die Anklagebank. Die Täter von einst leben nicht mehr und ihren Kindern und Kindeskindern ist jene Schuld nicht anzulasten. Was die Nachfahren der Opfer aber zu recht erwarten dürfen, das ist die Anerkennung historischer Tatsachen und damit auch einer historischen Schuld.“
Dies alles bedenkend, vermag ich einfach nicht zu glauben, dass die vorgeblich geltend gemachte „räumliche Einschränkung des Gemeinwohls“ der ausschlaggebende Grund für den angeordneten Abriss des doch wichtigen, gleichwohl wahrlich nicht großflächig monumental gestalteten Mahnmals sein kann.
Ich bitte Sie daher vertrauensvoll, mich in der Sache aufzuklären, bevor ich mich an befreundete Nicht-Regierungs-Organisationen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im In- und Ausland wende. Es wäre fatal in einer moralisch so schwerwiegenden Angelegenheit, vor allem aber auch, eingedenk des nach wie vor mit ihr verbundenen Leids und Schmerzes der Nachkommen, falsche Signale auszusenden.
Ich hoffe daher sehr, von Ihrem Haus aufgeklärt und beruhigt zu werden. Denn es geht, wie schon angedeutet, um das Zusammenleben hierzulande und um unsere aller Verantwortung dafür.
Als ehemalige Präsidentin der „Internationalen Liga für Menschenrechte e. V.“, habe ich über viele Jahre aktiv die Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Roma und Sinti Europas unterstützt. Die Errichtung des Mahnmals in Sichtweite des Deutschen Reichstags war uns wichtig, denn vom politischen Zentrum des faschistischen Deutschen Reichs, ging die Weisung aus, „die Juden und Zigeuner schlechthin“ zu vernichten. Im Jahre 2002 gründete ich gemeinsam mit Delegierten von 18 jüdischen Gruppen und Organisationen die Föderation „European Jews for a Just Peace“ (EJJP) und hiernach die deutschen Sektion „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost – EJJP e. V.“ Allen Mitgliedsorganisationen des EJJP, so auch unserer hierzulande, gehörten noch Überlebende des Völkermords des NS-Regimes an den Juden an, die ihr Engagement an der Seite ausgegrenzter und vertriebener Palästinenser_innen sowie widerständiger Israelis als Lehre aus dem selbst erfahrenen Pariastatus begriffen. Vor diesem Hintergrund halte ich die Vision „transnationaler Erinnerungsräume“, wie sie im Zusammenhang mit der Initiative zur Errichtung eines Mahnmals zur Erinnerung an den Völkermord an den Armenier_innen in Köln von Dogan Akhanli und anderen vertreten wird, nicht zuletzt wegen ihrer Universalität für überzeugend. Insbesondere teile ich die Auffassung, dass die Mittäterschaft Kaiser Wilhelms II ausdrücklich benannt werden sollte, weshalb mir der Platz unweit des Reiterbildes des Kaisers vor der Kölner Hohenzollernbücke für die Aufstellung des Mahnmals sehr geeignet erscheint.