Kölner Mahnmal für Armenier bleibt – vorerst

WDR3 Resonanzen 17.4.2018 – Geschichtsaufarbeitungsweltmeister

Zur Anmoderation
Erleichterung heute Mittag in Köln, jedenfalls bei den Aktivisten von „Völkermord Erinnern“: Per Eilentscheidung hat das Kölner Verwaltungsgericht der Stadt Köln untersagt, ein am Sonntag unweit des Doms am Rhein aufgestelltes Mahnmal für die im ersten Weltkrieg ermordeten Armenier zu entfernen. Vorerst. Am Morgen hatte die Verwaltung schweres Gerät geschickt, um die 200 Kilo schwere Pyramide abräumen zu lassen. Eine Entscheidung über das Denkmal wird nun für nächste Woche erwartet. — Uli Hufen mit dem Zwischenruf.

Autor: Uli Hufen

Zwischenruf
Es ist alles wie immer. Man muss sich das klarmachen. Wann immer in Deutschland in den letzten Jahrzehnten irgendein Fortschritt in Sachen Gedenkpolitik gemacht wurde. Wann immer ein Denkmal errichtet, ein historisch bedeutendes Gebäude vor dem Abriss bewahrt oder ein Verbrechen vor dem völligen Abrutschen ins Grau des „Stimmt-da-war-was“ bewahrt wurde, hatten wir es störrischen Aktivisten zu verdanken. Unverbesserlichen Querulanten, Störenfrieden und Käuzen. Leuten, denen es nichts ausmachte, gegen den Strom zu schwimmen, die Anfeindungen aushalten und Ausgrenzung vielleicht sogar genießen konnten, irgendwie. Leute wie die Aktivisten von „Völkermord Erinnern“, die jetzt genug vom ewig Taktieren der Politiker hatten, die Sache selbst in die Hand nahmen und endlich ein Denkmal aufgestellt haben, das es schon lange geben sollte. Nicht unbedingt an diesem Platz, nicht unbedingt in dieser Form und nicht unbedingt mit dieser Inschrift, aber trotzdem.

Der Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich war ein abscheuliches Verbrechen, er geschah unter den Augen und mit Wissen der deutschen Partner des Osmanischen Reiches und es sollte sich von selbst verstehen, dass ein Gedenkstein auf einem abgelegenen Kölner Friedhof nicht ausreicht. Einen solchen gibt es ja, in Köln-Brück. Der Platz direkt neben dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Rhein ist da schon besser gewählt, der Kaiser war im 1. Weltkrieg ja sozusagen partner-in-crime der osmanischen Nationalisten.

Aber es ist in Deutschland eben so: Irgendwann, wenn der Zeitgeist sich gedreht hat, wenn sich alle oder jedenfalls fast alle plötzlich einig sind, wenn es kein Problem mehr ist: dann treten die andern auf die Bühne, die Politiker, die Mächtigen, die guten Bürger, und halten große Reden. Dann haben auf einmal alle immer schon alles gewusst und waren sowieso dafür. Für das Gute. Dafür, dass man sich an den Holocaust erinnern sollte. Dass ehemalige Nazis keine hohen Posten in bundesdeutschen Behörden bekleiden sollten. Dass man das Gestapo-Hauptquartier in Köln als Museum erhalten sollte. Dass man das ehemalige Kriegsgefangenenlager und seinen Friedhof in Stukenbrock bei Bielefeld pflegen und bewahren sollte. Dass die Stolpersteine eine wirklich gute Idee sind. Die Liste ließe sich mühelos und lang fortsetzen.

In all diesen Fällen waren es Aktivisten wie die von „Völkermord Erinnern“, denen wir, die deutsche Öffentlichkeit, die Gesellschaft es zu verdanken haben, dass die Verbrechen der Vergangenheit nicht vergessen, dass der Opfer gedacht wird. Beate und Serge Klarsfeld. Der Bielefelder Arbeitskreis „Blumen für Stukenbrock“. Der Fotograf Gernot Huber und der Lehrer Kurt Holl, die sich 1979 in Köln im EL-DE Haus einschließen ließen, um die Inschriften in den Gestapozellen zu fotografieren. Ohne Genehmigung, man stelle sich vor! Der Künstler Günter Demnig, der ebenfalls ohne um Erlaubnis zu fragen begann, seine Stolpersteine zu verlegen. Falls es irgendeinen Anlass für den erstaunlich weit verbreiteten Glauben gibt, Deutschland sei nicht nur Fußball- sondern auch Geschichtsaufarbeitungsweltmeister, dann liegt er hier: in dem doch erfreulich weit verbreiteten Mut, etwas zu tun ohne die Behörden zu fragen. Denn die Behörden finden immer einen Grund, den Status Quo zu bewahren. Vorgeschobene und echte. Das Wegerecht – wie jetzt in Köln. Der liebe Frieden. Die guten Beziehungen zur Türkei. Oder die schlechten zu Russland. Die Gedenkpolitik war und ist eine Geisel der aktuellen Verhältnisse, innen- wie außenpolitisch. Nicht nur in Deutschland übrigens und nicht erst seit gestern. Wer in Sachen Gedenkpolitik etwas bewegen will, muss sich über Bedenken hinwegsetzen, etwas riskieren, klug agieren und einen langen Atem haben. Der Weg ist steinig, aber es gibt keinen anderen.

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