Es darf sich nicht hinter bürokratischen Ausreden versteckt werden

Rede von Yaw Malcom Pajong, Expert*innengremium (Post)koloniales Erbe Kölns, auf der Protestveranstaltung am 24. Mai 2023 an der Hohenzollernbrücke:

„Ich spreche heute als Einzelperson und auch als Teil des Expert*innengremiums, das höchst persönlich von der Oberbürgermeisterin und der Stadt Köln ins Leben gerufen wurde.

Zunächst möchten wir unsere volle Solidarität und Anteilnahme mit allen Betroffenen des Genozids ausdrücken. Insbesondere den Nachfahren von Überlebenden danken wir für ihren unermüdlichen Einsatz für Anerkennung, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und ein würdevolles Gedenken. Als Gremium zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes der Stadt Köln haben wir uns seit unserer Gründung Anfang letzten Jahres, für das Mahnmal „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ eingesetzt sowie für einen angemessenen Umgang mit dem Denkmal des Kolonialverbrechers Kaiser Wilhelm, des Zweiten. Er darf auf hohem Ross drohen. Das soll schon wieder gehen!

Leider mussten wir feststellen, dass unsere Macht als Gremium begrenzt ist. Wir wurden mit vielen bürokratischen Ausreden vertröstet, warum und weshalb das Mahnmal eventuell doch dem Wegerecht im Weg steht oder zukünftige Fahrradwege wichtiger sind. Vor circa einem Monat waren wir in dem Irrglauben, dass die Stadt Köln sich klar für das Mahnmal ausspricht. Gleichzeitig kritisierten wir klar, dass dies ein Jahr, sieben Jahre oder eigentlich 108 Jahre zu spät passierte.

Jetzt müssen wir feststellen, dass anscheinend nur ein Teil der Stadtpolitik und Verwaltung dafür ist und sich ein anderer Teil jeglicher Verantwortung entzieht. […] Im April 2018 war das Mahnmal der Stadt Köln mit einer Schenkungsurkunde übergeben worden. Und jetzt erst recht fordern wir, den aktuellen drohenden Abriss des Mahnmals unverzüglich zu stoppen. Herero und Nama Vertreterinnen mussten auch diesen Weg gehen und verklagen aktuell die deutsche Regierung. Dass dies nötig ist, sagt sehr viel über den deutschen Umgang mit Nachfahren, Genozid, Überlebenden aus. Die Wichtigkeit und Dringlichkeit, sich zu verhalten, wurde damals vor den Genoziden, während der Genozide und die 100 Jahre danach nicht gesehen. Deswegen ist es umso wichtiger, sich dieses Wegschauen, dieses Leugnen, dieses blutigen Hände in Unschuld waschen genauer anzuschauen und daraus zu lernen, damit „Nie wieder“ nicht nur eine Floskel bleibt.

Wenn Verantwortung übernommen wird, dann bedeutet das keine Abschiebungen mehr aus Deutschland nach Armenien und auch in kein anderes Land. Das bedeutet auch, die historischen Kontinuitäten mit der Türkei zu brechen und die militärische Kooperation zu beenden, die damals wie heute Menschenleben kostet. Besonders bei den letzten beiden Punkten würden wir, und ich persönlich, mir auch mehr Verantwortung von den Politikern wünschen und ihren Parteien. Verantwortung bedeutet, den Betroffenen aufmerksam und empathisch zuzuhören und deren Wünsche und Forderungen ernst zu nehmen und umzusetzen. Hier muss Eigeninitiative gezeigt werden, und es darf sich nicht hinter bürokratischen Ausreden versteckt werden. „Dieser Schmerz betrifft uns alle“.

Das Expert*innengremium besteht aus verschiedenen Leuten aus sozialen Bewegungen, akademischer Bildung, und das gesamte Gremium kritisiert die Entscheidung der Stadt Köln, das Mahnmal zu. Das Gremium betont nochmal, wie wichtig die Arbeit der Initiative seit 2018 und wie untragbar und unverschämt das Vertrösten der Stadt Köln ist. Außerdem wirft das Gremium die Frage auf, weshalb die Stadt ein Expertenkomitee zur Aufarbeitung der kolonialen Geschichte einberuft, aber gleichzeitig bereits gemachte Arbeit zum Thema aktiv verhindert und auch uns nicht zuhört.

Ich würde mir auch wünschen, dass alle Anwesenden, die heute hier sind, quasi auch wirklich zu diesem Manual halten. Ich habe heute nochmal telefoniert mit der für uns zuständigen Person und gefragt, wie es weitergehen wird. Da wurde geantwortet, dass diese Person auch keine Infos oder Antworten hat; dass Fakten so sind, wie sie sind und er daran nichts ändern kann. Das Mahnmal soll aber nicht entfernt werden bevor das Gericht entschieden hat.

So wie letztes Jahr. Das sei unüblich, hieß es. Wir können hoffen, dass es nicht im Laufe der nächsten Tage entfernt wird. Wir alle werden und müssen uns für den Erhalt dieses Mahnmals und das Gedenken und das gesamte Thema einsetzen. Danke.“

Es darf sich nicht hinter bürokratischen Ausreden versteckt werden

Rede von Yaw Malcom Pajong, Expert*innengremium (Post)koloniales Erbe Kölns, auf der Protestveranstaltung am 24. Mai 2023 an der Hohenzollernbrücke:

„Ich spreche heute als Einzelperson und auch als Teil des Expert*innengremiums, das höchst persönlich von der Oberbürgermeisterin und der Stadt Köln ins Leben gerufen wurde.

Zunächst möchten wir unsere volle Solidarität und Anteilnahme mit allen Betroffenen des Genozids ausdrücken. Insbesondere den Nachfahren von Überlebenden danken wir für ihren unermüdlichen Einsatz für Anerkennung, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und ein würdevolles Gedenken. Als Gremium zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes der Stadt Köln haben wir uns seit unserer Gründung Anfang letzten Jahres, für das Mahnmal „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ eingesetzt sowie für einen angemessenen Umgang mit dem Denkmal des Kolonialverbrechers Kaiser Wilhelm, des Zweiten. Er darf auf hohem Ross drohen. Das soll schon wieder gehen!

Leider mussten wir feststellen, dass unsere Macht als Gremium begrenzt ist. Wir wurden mit vielen bürokratischen Ausreden vertröstet, warum und weshalb das Mahnmal eventuell doch dem Wegerecht im Weg steht oder zukünftige Fahrradwege wichtiger sind. Vor circa einem Monat waren wir in dem Irrglauben, dass die Stadt Köln sich klar für das Mahnmal ausspricht. Gleichzeitig kritisierten wir klar, dass dies ein Jahr, sieben Jahre oder eigentlich 108 Jahre zu spät passierte.

Jetzt müssen wir feststellen, dass anscheinend nur ein Teil der Stadtpolitik und Verwaltung dafür ist und sich ein anderer Teil jeglicher Verantwortung entzieht. […] Im April 2018 war das Mahnmal der Stadt Köln mit einer Schenkungsurkunde übergeben worden. Und jetzt erst recht fordern wir, den aktuellen drohenden Abriss des Mahnmals unverzüglich zu stoppen. Herero und Nama Vertreterinnen mussten auch diesen Weg gehen und verklagen aktuell die deutsche Regierung. Dass dies nötig ist, sagt sehr viel über den deutschen Umgang mit Nachfahren, Genozid, Überlebenden aus. Die Wichtigkeit und Dringlichkeit, sich zu verhalten, wurde damals vor den Genoziden, während der Genozide und die 100 Jahre danach nicht gesehen. Deswegen ist es umso wichtiger, sich dieses Wegschauen, dieses Leugnen, dieses blutigen Hände in Unschuld waschen genauer anzuschauen und daraus zu lernen, damit „Nie wieder“ nicht nur eine Floskel bleibt.

Wenn Verantwortung übernommen wird, dann bedeutet das keine Abschiebungen mehr aus Deutschland nach Armenien und auch in kein anderes Land. Das bedeutet auch, die historischen Kontinuitäten mit der Türkei zu brechen und die militärische Kooperation zu beenden, die damals wie heute Menschenleben kostet. Besonders bei den letzten beiden Punkten würden wir, und ich persönlich, mir auch mehr Verantwortung von den Politikern wünschen und ihren Parteien. Verantwortung bedeutet, den Betroffenen aufmerksam und empathisch zuzuhören und deren Wünsche und Forderungen ernst zu nehmen und umzusetzen. Hier muss Eigeninitiative gezeigt werden, und es darf sich nicht hinter bürokratischen Ausreden versteckt werden. „Dieser Schmerz betrifft uns alle“.

Das Expert*innengremium besteht aus verschiedenen Leuten aus sozialen Bewegungen, akademischer Bildung, und das gesamte Gremium kritisiert die Entscheidung der Stadt Köln, das Mahnmal zu. Das Gremium betont nochmal, wie wichtig die Arbeit der Initiative seit 2018 und wie untragbar und unverschämt das Vertrösten der Stadt Köln ist. Außerdem wirft das Gremium die Frage auf, weshalb die Stadt ein Expertenkomitee zur Aufarbeitung der kolonialen Geschichte einberuft, aber gleichzeitig bereits gemachte Arbeit zum Thema aktiv verhindert und auch uns nicht zuhört.

Ich würde mir auch wünschen, dass alle Anwesenden, die heute hier sind, quasi auch wirklich zu diesem Manual halten. Ich habe heute nochmal telefoniert mit der für uns zuständigen Person und gefragt, wie es weitergehen wird. Da wurde geantwortet, dass diese Person auch keine Infos oder Antworten hat; dass Fakten so sind, wie sie sind und er daran nichts ändern kann. Das Mahnmal soll aber nicht entfernt werden bevor das Gericht entschieden hat.

So wie letztes Jahr. Das sei unüblich, hieß es. Wir können hoffen, dass es nicht im Laufe der nächsten Tage entfernt wird. Wir alle werden und müssen uns für den Erhalt dieses Mahnmals und das Gedenken und das gesamte Thema einsetzen. Danke.“